Auslandsfamulatur in Ho Chi Minh City, Vietnam

Simon Kraler

Simon Christoph Kraler Medizinische Universität Graz, Österreich

von Simon Christoph Kraler.

Selten durfte ich in einem Land in so viele verschiedene Welten eintauchen: Das Surren des von der Decke hängenden Ventilators, während ich sitzend auf einem der rostigen Schemel die Naht zu Ende führe. Klingende Autoboxen, die ein Song von Drake zum Dröhnen bringt. Musik, die der neben mir sitzende Chefarzt extra auf seine Jukebox geladen hatte, um mir die Fahrt in Richtung Osten angenehm zu gestalten. Der nach Luft ringende Motorradfahrer, welcher vor meinen Augen verunfallt. Der Duft von frischem Arabica-Kaffee, der sich im Zimmer verteilt, als die Besitzerin des Friendly-Fun-Hostels das Frühstück für mich zubereitet. Der Geschmack von frisch gefangenem Hummer, auf Silbertablett serviert, im Hintergrund das Rauschen der Klimaanlage, während Dr. Tuan mein Lächeln erwidert. Der herzzerreißende Anblick eines onkologischen Patienten, dessen finanzielle Mittel nicht für eine kurative Therapie reichen. Die feuchte Luft, die mir ins Gesicht peitscht, als mich Dr. Hai, obschon weitab von seiner Wohnung gelegen, mit seinem Motorrad zu meinem Guesthouse chauffiert.

Vietnam, ein Land voller Gegensätze. Und genau diese Inkongruenz macht es so einzigartig. Ich entschloss mich, alleine zu reisen. Die Intention? Das Land kennenzulernen.

Vorbereitung

© Simon Kraler, Plantage

© Simon Kraler: Đà Lạt, nördlich von HCMC gelegen. Ein Plantagearbeiter grüßt mich. Nur der Zaun trennt uns.

Bewerbung via ASEA-UNINET. Restplätze. Dann Mitte März: Zusage. Flug um 506€ gebucht. Rückflug mit 35 Stunden Dauer inklusive. Die empfohlenen Impfungen (HAV, HBV, Rabies) hatte ich mir schon im Vorjahr impfen lassen. Wobei ich retrospektiv auf die Tollwutimpfung verzichten würde. Eine Entscheidung, die jeder persönlich treffen muss. Bei der Auswahl des Departments, Kommunikationsproblemen mit der Uni sowie bei der Beantwortung von offenen Fragen erwies sich MA Karina Theiss als sehr große Hilfe – vielen Dank für deinen Aufwand an dieser Stelle. Der Rest der Reiseorganisation wurde kurz vor Reiseantritt erledigt. Stichwort VISA: Einen Visa-Approval Letter bekommt man um 14 € auf http://www.visumvietnam.de/ (Stand August 2016). Bei der Ankunft in Ho-Chi-Minh muss dieser Brief kurz vorgewiesen werden und 25 USD bezahlt werden. Anschließend wird das Visum ausgehändigt. Diese Herangehensweise ist um einiges günstiger als der Weg über die Botschaft. Die Buchung des Guesthouses hatte ich aufgrund meiner recht intensiven Schweizfamulatur am Abend vor Abflug erledigt. Booking.com war mein Freund. Kosten: ~ 300 000 VND. Das entspricht ca. 12€ pro Nacht. Leistbar. Lonelyplanet hatte ich noch auf mein Kindle geladen. Online-Check-In und das war’s auch schon… Abflug. Airbus A320 landete um 8.30 p.m. Ortszeit. Suchen eines Taxis. Stichwort Taxi: Am besten ein Taxi von Vinasun oder Mai Linh Group nehmen. Falls das Taxameter nicht eingeschaltet ist, unbedingt darauf hinweisen. Ansonsten werden bei Ankunft oft Preise verlangt, die nicht realistisch sind.

Famulatur

Meine Famulatur sollte am nächsten Tag beginnen. Ich hatte mich für eine zweiwöchige Famulatur im Emergency Room beworben. Danach werden 2 Wochen im Department of Surgery folgen. Zuerst Vorstellen im Office of International Affairs, Bezahlen der Arrangement Fee in Höhe von 200,- USD und es geht los. Jemand bringt mich ins Hospital. Es liegt gleich um die Ecke. Wir bahnen uns einen Weg durch die Menschenmasse, die sich wartend vor den Türen des UMC ansammelt. Das Geräusch weinender Kinder begleitet mich bis zum Eintreten in den CẤP CỨU (der vietnamesische Term für Notaufnahme). Im Getümmel der Menschen werde ich freundlichst von Dr. Hâu begrüßt. Sprachliche Barrieren werden durch ein charmantes Lächeln kompensiert. Stichwort Kommunikation: Sucht euch einen Chief Resident, der der englischen Sprache mächtig ist. Das macht die Famulatur um einiges lehrreicher und ihr habt mehr Spaß dabei.

Insgesamt verbrachte ich 10 Tage im Emergency Room. BGAs, Legen transnasaler Magensonden, periphere Blutabnahmen sowie das Schreiben und Interpretation von EKGs waren meine Hauptaufgaben. In Leerzeiten nahm ich die Möglichkeit wahr, mir die Anamnesen der neuankommenden Patienten vom Resident Dr. Jun auf Englisch übersetzen zu lassen.

© Simon Kraler, UMC Hospital

© Simon Kraler: UMC Hospital, CẤP CỨU, Emergency Room. Schwerkranke kauern auf den eng aneinander gereihten Metallsesseln und warten, bis sie aufgerufen werden.

Nach 2 Wochen rotierte ich auf das Department of GI-Surgery. Da ich bis dato nur die limitierenden Ressourcen des ER kennenlernen durfte (z. T. über 50 PatientInnen in einem Raum; Röntgenbilder, die auf dem Flur geschossen wurden; keine Anwendung von antiseptischen Mitteln) war ich sprachlos, als mich die moderne Ausstattung auf der Chirurgie an westeuropäische Standards erinnerte. Ich rotierte immer zwischen dem Eingriffsraum (minor surgery room) sowie dem Operationssaal (OT). Cystektomien, Hepatektomien, Kolektomien, Gastrektomien sowie Hernien-OPs gehörten zum alltäglichen OP-Programm. Im Minor Surgery Room assistierte ich bei den Eingriffen, und teilweise wurden diese auch von mir unter Anleitung des diensthabenden Arztes durchgeführt (Entfernen kleinerer benigner Tumore; Wundverschluss; Setzen der Lokalanästhesie; Verbandswechsel). Im OT bestaunte ich meist die feinmotorischen Fähigkeiten der ChirurgInnen, die sie bei laparoskopischen Eingriffen unter Beweis stellten. Diese OPs wurden häufig auf einen 48 Zoll Bildschirm übertragen. Da während meiner Famulaturzeit zeitgleich ein ‚Advanced Laparoscopic Course‘ für ein Ärzteteam aus den Philippinen stattfand, wurde während des Eingriffes einiges auf Englisch erklärt.

© Simon Kraler, Spital

© Simon Kraler: UMC Hospital, CẤP CỨU, Emergency Room. Obschon dieser den wohl modernsten ER des gesamten Südvietnams darstellt, sind mir während meiner Famulatur die begrenzenden Ressourcen, die diesem Gesundheitssystem zur Verfügung stehen, vor Augen geführt worden.

Die recht lockere Stimmung im OP wurde meist durch asiatische Musik, welche durch moderne JBL-Boxen dröhnte, untermauert. Während meiner Zeit auf der Chirurgie kümmerte sich Dr. Tuan sehr um mich. Trotz seiner Geschäftigkeit schaffte er es, mich beinahe jeden Tag zu interessanten OPs zu begleiten, mit mir die CT-Bilder zu besprechen, mich mittags in die lokale Küche einzuführen und Ausflüge für mich zu organisieren. Selten hatte ich einen Arzt in dieser Position (Dr. Tuan ist stellvertretender Leiter des GI-OP-Teams) mit einer derart warmherzigen Art kennenlernen dürfen.

Zurückblickend denke ich, dass ich persönlich von der Zeit auf der Chirurgie mehr profitieren konnte, da sie von Abwechslungsreichtum, einigen selbstständig durchgeführten Tätigkeiten sowie durch die Warmherzigkeit von Dr. Tuan geprägt war.

Freizeit

© Simon Kraler, Museum

© Simon Kraler: War Remnants Museum. Das von den USA im Zuge des Vietnamkriegs ausgebrachte Agent Orange erwies sich u. a. als teratogen. Die Folgen sind bis heute Teil des vietnamesischen Alltags.

Abends traf ich mich oft mit vietnamesischen Studierenden, die ich im Zuge meines Aufenthalts kennenlernen durfte. Daraus ergaben sich meist sehr interessante Konversationen, die einen die Geschichte Vietnams, die Traditionen, die soziopolitische Lage sowie die dort lebenden Menschen besser verstehen lassen.

Die hierarchischen Strukturen innerhalb des Krankenhauses durfte ich als sehr flach erleben. Da kann es schon einmal vorkommen, dass man sich nach der Famulatur neben der Klinikleitung sitzend bei einem Saigon-Bier erwischt.

Wahrzeichen wie das War Remnants Museum, Palace of Reunification, City Hall, Ben Thanh Market sowie die Financial Towers sind sehenswert. Das Wochenende nutzte ich meistens, um der Geschäftigkeit der Stadt zu entkommen. Ausflüge zu den Tunnels of Củ Chi oder der Rung Sac Military Base bieten sich an. Auch ein Flug nach Đà Lạt zahlt sich aus. Kostenpunkt je nach Zeitpunkt und Anbieter zwischen 15 und 40 USD. Zwischen mehreren Hügeln situiert, gibt es dort die Möglichkeit, das Leben am Land kennenzulernen, Kaffeeplantagen zu besuchen, Grillen als Snack zu genießen, Canyoning-Touren zu unternehmen oder einfach nur die Atmosphäre fernab des stressigen Straßenverkehrs bei frisch zubereitetem Kaffee zu genießen.

Kosten des einmonatigen Aufenthalts

Flugkosten 450 €
​​Visa ​36 €
Unterkunft 10-13 € pro Nacht
Verpflegung 150 €
Famulaturgebühren 180 €
Aktivitäten (Ausflüge, Sight-Seeing) 100 €
Gesamt 1250 €

 

© Simon Kraler, Kinder

© Simon Kraler: Sac Military Base. Die Laute spielender Kinder untermauern die einzigartige Stimmung, welche man an diesem Ort nahe des südchinesischen Meeres vorfindet.

Conclusio

Eine Famulatur in HCMC (Ho Chi Minh City) kann ich jedem nur empfehlen. Nicht nur auf Ebene der klinischen Tätigkeit ist eine Famulatur im UMC Hospital eine Erfahrung wert. Die Herzlichkeit, mit der einem so manche Ärzte begegnen, ist sicherlich einzigartig und machte diese Zeit für mich zu etwas Besonderen. Falls Fragen zu Unterkünften, Freizeittipps, ASEA-UNINET, der Reiseorganisation oder der Famulatur als solche auftreten sollten, kannst du mich gerne unter office@goinginternational.org kontaktieren.

Interessante Webseiten


Der Erfahrungsbericht von Simon Kraler steht hier zum Download als PDF bereit.

 

Mehr Information zum Thema Arbeiten im Ausland.


Veröffentlicht in GI-Mail 04/2019 (Deutsche Ausgabe). Abonnieren Sie GI-Mail hier.

Tipp: Aktuelle Weiterbildungsangebote zum Thema Medizin und Gesundheit finden Sie laufend online in der Bildungsdatenbank »medicine & health«.

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