Das Gespräch als das zentrale diagnostische und therapeutische Instrument der Zukunft – Neuorientierung der Gesundheitsversorgung in Österreich

Porträt_Peter_Nowak

Mag. Dr. Peter Nowak Universität Wien, Österreich

von Mag. Dr. Peter Nowak.

Täglich stehen Ärztinnen und Ärzte, Pflegepersonen und andere Gesundheitskräfte im Gespräch mit ihren Patientinnen und Patienten. Es ist sogar der wesentlichste Anteil ihrer Arbeit, aber bisher oft nur als „soft skill“ und „nice to have“ wenig beachtet worden. Wissenschaftliche Studien verweisen auf vielfache Effekte guter Gesprächsführung, die nicht nur die Zufriedenheit und das Gesundheitsverhalten der Patientinnen und Patienten verbessern, sondern auch Patientensicherheit und Gesundheitsoutcomes wesentlich beeinflussen. Aber auch die Gesundheit und Arbeitszufriedenheit der Mitarbeiter/innen im Gesundheitswesen sind durch nicht gelingende Patientengespräche belastet.

Anstoß hier große neue Schritte zu wagen gab die Diskussion zur relativ schlechten Gesundheitskompetenz der österreichischen Bevölkerung. In einer europäischen Vergleichsstudie waren nicht nur die Gesamtwerte für Österreich schlecht, sondern insbesondere auch in den Einzelfragen über die Gesprächsführung in der Krankenversorgung war Österreich oft Schlusslicht der 8 untersuchten Länder (vgl. Abb. 1). Gut ein Fünftel der Bevölkerung versteht zum Beispiel nicht, was ihr Arzt ihnen sagt.

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Abbildung 1

Es folgte die Formulierung des Rahmen-Gesundheitsziels 3 „Die Gesundheitskompetenz der Bevölkerung stärken“ und die Gründung der Österreichischen Plattform Gesundheitskompetenz, die sich schwerpunktmäßig auf ihrer 2. Konferenz am 13. Oktober 2016 dem Thema Gesprächsführung widmen wird. Parallel beauftragte das Gesundheitsministerium die Gesundheit Österreich mit einer Grundlagenarbeit, die seit September 2015 veröffentlicht ist (Sator et al. 2015). Die Ergebnisse waren so überzeugend, dass eine eigene Projektgruppe im Gesundheitsreformprozess einberufen wurde, in der Expertinnen und Experten des BMGF, der Bundesländer, der Sozialversicherung und der Gesundheit Österreich Vorschläge zur Verbesserung der Gesprächsqualität in der Krankenversorgung erarbeiten sollten. Am 1. Juli 2016 hat nun das oberste Gremium der Gesundheitsreform, die „Bundeszielsteuerungskommission“, das ausgearbeitete Strategiepapier beschlossen.

Was sind wesentliche Eckpunkte der vorgelegten Strategie?

–> Gute Gesprächsführung umfasst vier Ebenen oder Zieldimensionen (vgl. Abb. 2), die im kommenden Reformprozess beachtet werden sollen:

  • Sprachlich-interaktive Ebene – Gesprächsführung: Welche verbalen und non-verbalen Verfahren unterstützen einen guten Gesprächsverlauf?
  • Inhaltliche Ebene – Fachinhalte: Werden die relevanten Fachinhalte besprochen?
  • Psychosoziale Ebene – Beziehung: Mit welchen Haltungen und Einstellungen wird Beziehung gestaltet?
  • Ebene des Gesprächssettings – Umfeld: In welchem zeitlichen, räumlichen und technischen Rahmen wird das Gespräch geführt?
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Abbildung 2

–> Gute Gesprächsführung wird als prioritäre Aufgabe in einer patientenzentrierten Krankenversorgung anerkannt.

–> Gute Gesprächsführung ist lehr- und lernbar.

–> Gute Gespräche brauchen die strukturelle Unterstützung im Versorgungsalltag, insbesondere durch die Führungskräfte in den Organisationen des Gesundheitswesens.

Um diese Eckpunkte umzusetzen, gibt die Strategie 15 Handlungsempfehlungen in vier Bereichen:

  1. Strategie- und Kulturentwicklung (Policy)
  2. Evidenzbasierte Qualitätsentwicklung
  3. Aus-/Weiter-/Fortbildung
  4. Organisationsentwicklung

Wichtig und neu an diesen Empfehlungen ist, dass die Entwicklung patientenzentrierter Gespräche nicht nur als Aus- und Fortbildungsfrage gesehen wird, sondern vor allem auch die Rahmenbedingungen der alltäglichen Arbeit als vorrangige Reformaufgabe definiert. Es ist davon auszugehen, dass die Realisierung der empfohlenen Maßnahmen viel Umdenken bei allen Partnern des Gesundheitswesens und einen mehrjährigen konsequenten Umsetzungsprozess brauchen wird. Die Österreichische Plattform Gesundheitskompetenz (ÖPGK) ist hier auch als „Umsetzungsmotor“ vorgesehen.

Literaturhinweis

Sator et al. (2015): Verbesserung der Gesprächsqualität in der Krankenversorgung. Kurzbericht auf Basis der Grundlagenarbeiten für das Bundesministerium für Gesundheit und den Hauptverband der österreichischen Sozialversicherungsträger. Gesundheit Österreich GmbH, Wien.

Interessante Webseiten

  1. http://www.bmgf.gv.at/home/Gesundheit/Gesundheitsreform/Gesundheitskompetenz/
  2. http://oepgk.at/
  3. http://www.goeg.at/
 

Über den Autor

Mag. Dr. Peter Nowak, seit 2001 bei der Gesundheit Österreich GmbH, ist studierter Sprachwissenschafter und Psychologe der Universität Wien sowie ausgebildet in den Bereichen Meditation, Gesprächstherapie, Projektmanagement, Organisationsentwicklung, EFQM, Wissensmanagement.

Zitierung:

Nowak, Peter: Das Gespräch als das zentrale diagnostisches und therapeutisches Instrument der Zukunft – Neuorientierung der Gesundheitsversorgunin Österreich  (In: Polak, G. [Hg.]: GI-Mail 08/16, ISSN: 2312-0819 Going International, Wien 2016)


Diese Publikation steht hier zum Download bereit.


Veröffentlicht in GI-Mail 08/2016 (Deutsche Ausgabe).

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