8 Wochen Rotation Innere Medizin in Ifakara, Tansania

von Stefanie Heindl.

Meine Motivation

Stefanie Heindl Medizinische Universität Graz, Östereich

Noch bevor ich das Medizinstudium begonnen hatte, wusste ich, dass ich einen Teil im Ausland absolvieren wollte. Als ich während des Studiums einen Vortrag von einem Kollegen hörte, der ein Jahr als Jungarzt im Kamerun gearbeitet hatte, wurden meine Vorstellungen konkreter: Ich wollte einen Teil meines KPJs in einem Land absolvieren, das nicht denselben medizinischen Standard wie Österreich hat und limitierte Ressourcen zur Verfügung stehen. Ich erhoffte mir einerseits dadurch bessere klinische Urteilsfähigkeit zu erlernen, da man mit Anamnese, körperlicher Untersuchung, evtl. Sonografie und ein paar wenigen Blutparametern zu einer Diagnose und adäquaten Therapie gelangen muss, andererseits wollte ich auch einfach einen Einblick in das Leben und das Arbeiten in einem Land des Globalen Südens bekommen.

Über einige Ecken habe ich dann von einer Bekannten erfahren, dass sie ein KPJ Tertial in Tansania absolviert hat und begeistert war. Sie war 8 Wochen in Ifakara im St. Francis Referral Hospital. Tansania, ein Land mit 56 Millionen EinwohnerInnen im Osten Afrikas, mit den Amtssprachen Swahili und Englisch, das in Österreich hauptsächlich für die Möglichkeit, Safaris zu machen, bekannt ist, ist auch ein politisch recht stabiles und sicheres Land. Somit war der Entschluss gefasst, dort gemeinsam mit meinem Freund und einer Freundin 2 Monate meines Innere Medizin Tertials zu machen.

Bewerbung und Anmeldung

Die Bewerbung war unkompliziert, doch durch unsere typisch europäische Herangehensweise dann doch langwieriger als erwartet. Über die Website des Krankenhauses St. Francis Referral Hospital (https://sfh.or.tz/) fanden wir eine Emailadresse (info@sfh.or.tz), an die wir unsere Bewerbung inklusive Lebenslauf, Inskriptionsbestätigung und Studienerfolgsnachweis sendeten. Auf unsere allererste Mail etwa 1,5 Jahre im Voraus wurde uns sogleich geantwortet, dass wir herzlich willkommen sind und sie sich freuen, StudentInnen aus Österreich aufzunehmen und dass es eine Unterkunft mit Verpflegung für uns geben wird. Als wir dann aber die genauen Daten kommunizierten und noch weitere Informationen wollten, gab es über mehrere Wochen Funkstille. Deshalb wendeten wir uns an eine Bekannte, die damals für ihr KPJ Tertial im St. Francis Referral Hospital war.  Sie meinte, für TansanianerInnen ist nach einer Zusage alles gesagt und der Rest regelt sich von allein. Wir sollen lediglich kurz vor Ankunft nochmal Bescheid geben, dass wir bald da sind.

Das war uns jedoch zu unsicher und wir suchten weiter nach Kontaktmöglichkeiten, bis wir auf die Whatsapp Nummer des Klinikleiters des St. Francis Referral Hospital gestoßen sind, der uns nochmal versicherte, dass alles passt und uns unser Training agreement unterschrieb, sowie uns die Kontaktdaten des Public relations officers, Mr Nestori, gab, der für die AuslandsstudentInnen zuständig ist.

Die Anreise ging erstaunlich unproblematisch: Flug über Nairobi nach Dar es Salaam, am nächsten Tag 11h Busfahrt und eine Toilettenpause später, waren wir in Ifakara. Unser Sitznachbar war ein tansanianischer Medizinstudent, der uns sein Handy lieh, um Mr Nestori zu kontaktieren, sodass dieser uns vom Busbahnhof abholte. Dieser brachte uns dann in unsere Unterkunft, ein Haus mit 2 Schlafzimmern inklusive Bad (leider kein Warmwasser), Küche, Ess- und Wohnzimmer sowie einem großen  Garten. Wir hatten zwei HaushälterInnen, die sich um alles kümmerten: angefangen beim Kochen, über Wäsche waschen bis hin zu einem Crash Kurs in Swahili.

Die Tätigkeiten und Arbeitsbedingungen

Am nächsten Tag ging auch schon der Klinikalltag im St. Francis Referral Hospital los: Der Tag startet um 7:45 Uhr mit der Morgenbesprechung, im Anschluss ist eine halbe Stunde Zeit für Frühstücken eingeplant, daraufhin ist zuerst ICU Visite und danach Visite jeweils auf der Männer- und Frauenstation. Freitags findet eine fächerübergreifende Morgenbesprechung inklusive Fortbildung statt. Nach der Visite werden Untersuchungen geordert und durchgeführt. Der Tagesablauf ist also sehr ähnlich mit dem Klinikalltag in Österreich. Das war’s dann aber auch schon mit den Gemeinsamkeiten. Visite gehen nicht OberärztInnen sondern die Interns, was unseren BasisausbildungsärztInnen entspricht. Kaum ein/e PatientIn  hat eine Krankenversicherung, deshalb muss  jede Diagnostik und Therapie mit den Verwandten beredet  werden, damit diese das Geld auftreiben können. Die Untersuchung und Therapie wird erst durchgeführt, wenn bezahlt wurde. Die Diagnostik ist tendenziell teurer als die Therapie, so kostet ein einzelner Blutparameter wie zb CRP 5000 Tansania-Schilling (TSH) , also ca. 2 Euro, während 1 Woche iv Antibiose mit Ceftriaxon 7000 TSH kostet. Dies führt dazu, dass sehr viele PatientInnen ohne adäquate Diagnostik, Therapie erhalten und somit auch oft mit Antibiotika therapiert werden, obwohl diese wahrscheinlich oft nicht indiziert wären. Ein Krankheitsbild, bei dem die Tragik des medizinischen Systems besonders zum Vorschein kommt, ist der Insult. Ein CT kostet umgerechnet ca. 110 Euro, was mehr als dreimal so hoch ist wie das Durchschnittseinkommen in Tansania. So viel Geld hat hier niemand sofort parat und deshalb dauert es einige Tage, bis die Verwandten genügend Geld von anderen Familienmitgliedern und Freunden beisammenhaben. Dann wird das CT gemacht, um hämorrhagischen von ischämischem Insult (Schlaganfall) zu unterscheiden. Doch für eine Lyse bei ischämischem Insult ist es dann natürlich schon viel zu spät und das Einzige, was sich im Management noch ändert, ist ob die PatientInnen als Sekundärprophylaxe Aspirin erhalten oder nicht.

Man findet sich also tagtäglich in Situationen wieder, in denen man wüsste, was für Diagnostik und Therapie indiziert wäre, man diese aber aufgrund der finanziellen Situation nicht durchführen kann. Es stimmt einen natürlich sehr traurig, recht junge Menschen an Krankheiten sterben zu sehen, mit denen man in Europa dank moderner Medizin relativ gut leben kann. Außerdem ist es auch einfach frustrierend, oft weiß man auch gar nicht woran es jetzt gescheitert ist bei der Untersuchung: Ist die Probe verloren gegangen? Hat niemand bezahlt? Spinnt das Computersystem? Die Sprachbarriere erschwert einem den Alltag auch: ÄrztInnen sprechen alle fließend Englisch, PatientInnen leider ungefähr so viel wie ich auf Swahili– so gut wie nichts. Andererseits war es genau wie ich es mir erwartet hatte: Medizin mit wenigen Ressourcen. Man lernt hier wirklich, das Maximum aus Anamnese und klinischer Untersuchung herauszuholen und sich genau zu überlegen, was denn die wichtigsten Differenzialdiagnosen sind und wie man diese mit minimaler Diagnostik ausschließen bzw. bestätigen kann. Auch einige praktische Fertigkeiten kann man hier erlernen wie Aszitespunktionen oder Lumbalpunktionen.

Die Arbeitszeiten waren sehr flexibel und im Grunde konnte man so lange bleiben, wie man wollte. Ich war meist von 7:45 Uhr bis 15:00 Uhr in der Klinik. Die Hierarchie ist sehr flach, alle sprechen sich mit Vornamen an (und unterschreiben auch mit ihrem Vornamen), und man wird für seine Arbeit und Hilfe wertgeschätzt, das Personal freut sich, wenn man sich motiviert zeigt und eigenständig Überlegungen anstellt. Bei mir war es so, dass ich nach einigen Tagen selbst Visite gegangen bin. Teils mit Intern, teils ohne. Dadurch ist man wirklich gefordert, eigenständige Überlegungen anzustellen. Es sind alle freundlich und herzlich und oft wird man gefragt, wie man denn diese und jene Krankheit in Europa therapieren würde und somit kommen sehr interessante Gespräche über Unterschiede und Gemeinsamkeiten der Medizin zustande.

Über Ifakara

Die Leute außerhalb des Krankenhauses waren auch durchwegs freundlich und uns gegenüber positiv gestimmt. Worauf man sich aber einstellen muss, ist, dass man oft im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit steht und wildfremde Personen Nummern austauschen wollen. Ein klares „Nein“ wurde aber immer akzeptiert und oft sind auch sehr nette Erlebnisse durch zufällige Begegnungen entstanden, wie beispielsweise ein Mittagessen beim local police chief oder eine riesige Geburtstagsfeier für die Nichte unseres Haushälters. Somit konnten wir dieses Land und seine Traditionen so richtig entdecken.

Kostentabelle

Hin- und Rückflug (Kenya Air, Turkish Air)EUR 800
Unterkunft + VerpflegungEUR 440/Monat
Freizeitaktivitäten (Safari, Nationalparks), Souvenirs, Essen gehen, frisches Obst vom Markt etcEUR 150 – 300/Monat
Visum (tourist visa)EUR 40
Malariaprophylaxe (Doxycyclin)EUR 50
Krankenversicherung (Wiener Städtische)EUR 40/Monat
Haftpflichtversicherungkeine
Gesamt:Ca. EUR 1200/Monat

Freizeit und Tourismus

Für Freizeitaktivitäten ist auch gesorgt: Ifakara ist zwar mehr Dorf als eine Stadt und die Möglichkeiten sind somit etwas limitiert (durch den Markt schlendern, essen oder trinken gehen, Radtouren unternehmen), aber am Wochenende sind wir oft mit dem Bus in eine andere Stadt gefahren, um eine Safari oder eine Wandertour zu machen.

Insgesamt war es echt ein cooles und interessantes KPJ Tertial, das ich jederzeit wieder machen würde!

Interessante Webseiten und weiterführende Links

Kontakt

Bei Fragen zu Stefanie Heindls Famulatur, oder bei Fragen an Stefanie Heindl persönlich, wenden Sie sich direkt an die GI-Redaktion. Schreiben Sie uns ein E-Mail an: media@goinginternational.org

Haben Sie Fragen zu den Themen Arbeiten & Weiterbildung oder Jobsuche & Karriere? Dann schreiben Sie an Frau Mag. Seitz: office@goinginternational.org

Zitierung:

Heindl, Stefanie: 8 Wochen Rotation Innere Medizin in Ifakara, Tansania. (In: Polak, G. [Hg.]: GI-Mail 06/2023, ISSN: 2312-0819 Going International, Wien 2023)


Diese Publikation steht hier zum Download bereit.


Veröffentlicht in GI-Mail 06/2023 (Deutsche Ausgabe).

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