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Verlust des Y-Chromosoms: Wie Männerzellen dem Krebs in die Hände spielen

aerzteblatt.de

Tucson/Arizona – Der Verlust des Y-Chromosoms (LOY) macht Tumore aggressiver und lähmt die Immunabwehr. Neue Forschung legt nahe: Krebszellen könnten den Chromosomenverlust gezielt an Immunzellen weitergeben.

Hintergrund: LOY – ein unterschätztes Altersrisiko bei Männern

Mit zunehmendem Alter verlieren viele Männer in ihren Blutzellen das Y-Chromosom. Bereits frühere Studien aus Schweden (2014) hatten gezeigt: Männer mit LOY haben eine deutlich verkürzte Lebenserwartung und sterben häufiger an Krebs oder Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Besonders betroffen sind dabei Leukozyten – also genau die Zellen, die für die Immunabwehr entscheidend sind.

Neue Studie: Tumorzellen ohne Y-Chromosom manipulieren ihre Umgebung

Ein Team um Dan Theodorescu von der University of Arizona hat jetzt einen neuen Mechanismus aufgedeckt: Bei bestimmten Krebserkrankungen – etwa Blasenkrebs – verlieren nicht nur die Tumorzellen selbst das Y-Chromosom. Auch die Immunzellen in der direkten Tumorumgebung zeigen häufig LOY.

Besonders brisant: In Tierexperimenten konnten die Forscher zeigen, dass Tumore mit LOY anscheinend in der Lage sind, den Chromosomenverlust auf umliegende, eigentlich gesunde Immunzellen zu übertragen.

Mögliche Übertragungswege: Extrazelluläre Vesikel im Verdacht

Die Wissenschaftler vermuten, dass extrazelluläre Vesikel dabei eine Schlüsselrolle spielen könnten. Diese winzigen Membranbläschen dienen normalerweise dem Zell-zu-Zell-Austausch von Proteinen oder genetischem Material. Theodorescu geht davon aus, dass Tumorzellen über diesen Weg auch defekte Signale oder gar chromosomale Instabilität an benachbarte Immunzellen weitergeben.

Klinische Relevanz: LOY als Biomarker für Immuntherapie?

Bereits 2023 hatte dasselbe Forscherteam gezeigt, dass Blasenkrebs mit LOY besser auf Immun-Checkpoint-Inhibitoren anspricht. Die neuen Erkenntnisse legen nahe: Der Nachweis von LOY könnte in Zukunft ein wichtiger Biomarker sein – sowohl für die Prognose als auch für die Therapieplanung bei verschiedenen Krebserkrankungen.

Ungeklärte Ursachen: Umwelteinflüsse oder Tumormanipulation?

Ob LOY in Immun- und Tumorzellen auf denselben Umweltfaktoren wie Rauchen oder Schadstoffexposition beruht, oder ob Tumorzellen den Verlust gezielt „weitergeben“, bleibt eine offene Frage. Die Hypothese, dass Tumorzellen aktiv die Immunabwehr genetisch schwächen, ist jedoch hochgradig provokativ – und könnte langfristig neue therapeutische Ansätze ermöglichen.

Fazit: Y-Chromosom als unterschätzter Faktor in der Krebsbiologie

Die neue Studie unterstreicht: Der Verlust des Y-Chromosoms ist nicht nur ein passiver Alterungsmarker bei Männern, sondern ein aktiver Faktor in der Tumorbiologie und Immunabwehr. Weitere Forschung ist dringend nötig, um die genauen Mechanismen und möglichen Therapieansätze zu klären.

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Autor: Theodorescu D et al. Nature 2025; DOI: 10.1038/s41586-025-09071-2   Quelle: aerzteblatt.de (16.07.2025; GI-NH)
 
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